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Examensarbeiten
"Das Wort ward Fleisch" (Johannes
1,14)
Die Aufgaben der theologischen
Hermeneutik im ausgehenden 20. Jahrhundert
Eingereicht
an der Kirchlich
- theologischen Fachschule Missionshaus Malche e.V. Bad Freienwalde,
März 1996 Vorgelegt von: Thomas Wawerka Für
das Internet überarbeitet im Januar 2002
Inhaltsverzeichnis
Bibliographische
Beschreibung Einleitung
1.
Grundlegung: Aufgaben der theologischen Hermeneutik
1.1.
Warum überhaupt Verkündigung?
1.2.
Die Notwendigkeit, in Bildern zu reden
1.3.
Zwei Weisen, von Gott zu reden
1.3.1.
Karl Barth: "Back to the roots!"
1.3.2.
Dietrich Bonhoeffer: nicht-religiöse Interpretation biblischer Begriffe
1.4. Die
Methode der Korrelation
2.
Analyse: Religion im ausgehenden 20.Jahrhundert
2.1.
Menschliche
Grundfragen
2.2.
Kulturbedingte
Fragen 2.2.1.
Die Preisgabe der Teleologie
2.2.2.
Absolutes Glücksstreben
2.2.3.
Aufspaltung in zwei Lebensbereiche
2.3.
Religiöse
Fragen im ausgehenden 20.Jahrhundert
3.
Ausblick: Verkündigung im ausgehenden 20.Jahrhundert
Literaturverzeichnis Fußnoten
Inhalt
Anfang
Ende
Bibliographische
Beschreibung
Die
vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Problem der Verkündigung in unserer
Zeit.
Unter
der Fragestellung "Wie kann das Wort Fleisch werden?" wird versucht,
erst die theologischen, dann die praktischen Aspekte dieses Problems zu klären
und herauszufinden, wann Verkündigung in rechter Weise geschieht. Wert
gelegt wird dabei vor allem auf die Beachtung derjenigen Menschen, die nicht
aus der Gemeinde oder einer christlichen Sozialisation kommen.Trotzdem ist es
ein Problem, das auch die Verkündigung gegenüber Gemeindegliedern
betrifft. Es betrifft sogar den Verkündiger selbst. Aufgrund der persönlichen
Erfahrung, dass dem Zeugnis von Jesus Christus im allgemeinen wenig Achtung
geschenkt wird, habe ich mich schon immer gefragt, was man denn besser oder
anders machen könnte, um die Menschen unserer Umgebung mit dem Wort Gottes
zu erreichen. Diese Arbeit ist also keineswegs reine Schreibtischarbeit, sondern
verarbeitet persönliche Erfahrungen und eine lange Entwicklung eigener
Gedanken und Lösungsansätze.
In
dieser Arbeit wird versucht, sich gründlich dogmatisch und praktisch- theologisch
mit dem Problem missionarischer Verkündigung auseinander zu setzen. Sie
ist ein Meilenstein in einem noch nicht abgeschlossenen Prozess. Der Prozess
des Ringens um das rechte Verständnis und die rechten Worte wird vermutlich
nie abgeschlossen sein.
Deshalb
ist diese Arbeit auch falsch verstanden, wenn man sie wie eine Gebrauchsanleitung
für missionarische Verkündigung behandelt. Sie soll Anregungen geben
und auf dem Weg zum Herzen unserer nichtchristlichen Mitmenschen eine Hilfe
sein. Gelingt das, so haben wir auf diesem Weg wieder einen entscheidenden Schritt
getan.
Inhalt
Anfang
Einleitung
"...
In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene
Bahn unserm Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge
und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und
was hügelig ist, soll eben werden; denn die Herrlichkeit des HERRN soll
offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es s[1]
Hat
Gott es nötig, dass man Ihm den Weg bereitet? Schafft der Herr es nicht,
zu uns zu kommen, wenn wir Ihm nicht die Bahn ebnen?
Gott,
"vor dem die Erde bebte und die Himmel t[2],
ist sicher nicht auf uns angewiesen, und Er offenbart Seine Herrlichkeit mit
oder ohne unsere Hilfe.Aber für die Menschen, mit denen wir leben, ist
der Weg zu Gott oft verbaut. Ihretwegen ist es notwendig, dass wir uns Gedanken
machen um die Art und Weise, wie verkündigt werden soll, wie Verstehensschwierigkeiten
aus dem Weg geräumt werden können; mit anderen Worten: wie das Wort
Fleisch werden kann.
Natürlich
wird das Wort Fleisch, weil Gott es so will und tut, aber wenn Jesus nach Seiner
Geburt keine Krippe gehabt hätte, von einem Zimmermann wie Josef gebaut,
keine Decke, von einer Frau gewebt, und kein Stroh, von einem Bauern mit den
Händen vom Feld gelesen, wäre Er vermutlich erfroren.
So
ist es auch mit der Herrlichkeit Gottes, die "allem Fleisch" offenbart
werden soll: wenn wir sie nicht einkleiden und dafür sorgen, dass sie unter
den Menschen leben und wirken kann, wird sie einfrieren; das Wort wird verhallen.
"Es könnte sein, dass ein Seelsorger...wegen des Was in den Himmel,
aber wegen des Wie in die Hölle käme...Über dem Was wacht sozusagen
der Glaube, aber über dem Wie muss die Liebe w[3]
Inhalt
Anfang
1. Grundlegung: Aufgaben der theologischen Hermeneutik
1.1.
Warum
überhaupt Verkündigung?
"Es
geht heute nicht um dies und oder das am christlichen Glauben, nicht um Einzelnes,
um Jungfrauengeburt, Gottessohnschaft oder Himmelfahrt, sondern es geht um das
Ganze, um die Hauptsache - um die 'Sache mit G[4]
Dieses
Zitat sollte eigentlich genügen, um die Frage "Warum überhaupt
Verkündigung?" zu beantworten. Es geht um Gott! Es geht darum, dass
Gott heute Fuß fassen kann unter den Menschen, die Ihn nicht kennen, und
wieder Fuß fassen kann unter denen, die Ihn schon kennen gelernt haben.
Darum, dass Er zur Sprache kommt. Darum, dass Sein Anspruch geltend gemacht
werden kann und Sein Zuspruch wieder tragend wird.
Und
weil es ein "dem Menschen begegnender G[5]
ist, geht es auch um die Menschen. Gott und die Menschen in eine Beziehung zueinander
zu bringen, das ist die Aufgabe der Verkündigung. Glaube an Gott ist in
erster Linie Beziehung zu Gott.
"Wie
sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen
sie aber hören ohne P[6]
Verkündigung
soll dazu dienen, Gott bekannt zu machen, die Menschen auf Ihn hinzuweisen und
ihnen Wege zu Ihm zu öffnen. "Gott entsprechend ist diejenige menschliche
Rede, die Gott so zur Sprache bringt daß sie ihn das Subjekt dieses Sprachvorgangs
sein [7] Verkündigung
soll also letztendlich Gott selbst zu Wort kommen lassen. Gott begnügt
Sich aber nicht mit einer bloßen Selbstvorstellung bei den Menschen; Er
will in ihrem Leben das Sagen haben. Verkündigung muss also auch über
den Anfang hinaus prägend und bildend wirken.
"...Vermittlung
ist unerlässlich für die erste Kunde von Jesus. Sie ist aber auch
für die weitere Entwicklung der Einstellung eines Menschen zu Jesus und
zu dem durch Jesus eröffneten Lebenszusammenhang bedeutsam und oft entscheidend,
sogar für den Christen, der sich schon vertrauensvoll auf die Kunde von
Jesus eingelassen hat. Die Vermittlung der Kunde von Jesus hat also nicht nur
die Funktion der (einmaligen) Übermittlung der Tradition, sondern auch
die der fortgesetzten Bildung des christlichen, aber auch des noch nicht christlichen
Bewußtseins von J[8]
Wenn
die Aufgabe der Bildung richtig wahrgenommen werden soll, reicht es nicht, wenn
Verkündigung nur aktiv,
d.h. grundlegend, aufbauend, dogmatisch und auch mal "herzhaft einseitig"
ist. Sie muss auch auf die "Entwicklung der Einstellung eines Menschen
zu Jesus" reagieren und sich damit kritisch, korrigierend, prophetisch
und schöpferisch
auseinandersetzen.
Im
weiteren Sinn, auf Religion überhaupt, hat Paul Tillich diese zwei Aufgaben
unter der Bezeichnung "protestantisches P[9]
angewandt: Wenn wir uns nur noch an dem festhalten und orientieren, was uns
als "göttliche Struktur der Wirk[10],
also als fleischgewordenes Wort vermittelt wurde, treiben wir Götzendienst.
Denn das, was wir z.B. durch die Verkündigung von Gott erkennen, ist niemals
Gott selbst.
Das
betont auch Karl Barth: "Reden wir von ihm, so reden wir schon nicht mehr
von [11] Gott ist größer,
Ihn selbst sollen wir anbeten, Ihm uns öffnen und hingeben, nicht einer
Vorstellung von Ihm. Er ist nicht handlich und behandelbar wie ein goldenes
Kalb; Er entzieht Sich unserer Wirklichkeit. Wir können Ihn auch nicht
durch die Verkündigung er- oder begreifen. Aber durch die Verkündigung
können wir von Ihm ergriffen werden. Die Verkündigung ist wie eine
Dienerin Gottes. Sie kommt zu uns und richtet Seine Botschaft aus, aber sie
ist nie im Besitz der vollen und ewigen Wahrheit. Deshalb kann kein Wort von
Gott an Seine Stelle erhoben werden.
Deshalb
muss das Wort immer wieder neu gesagt werden, und deshalb ist es auch eine geistliche
Verpflichtung, dass Christen verschiedener Konfessionen und Denominationen die
Einheit suchen und voneinander lernen. Alle Erkenntnis von Gott ist nun mal
Stückwerk, und jede Glaubensrichtung hat einen Teil Erkenntnis. Und trotzdem
bleibt das Ganze größer als seine Teile, bleibt Gott erhaben über
aller unserer Verkündigung.
Verkündigung
hat also eine priesterliche und eine prophetische Aufgabe. "So verbinden
sich im protestantischen Prinzip Ja und Nein, positive Gestaltung und kritischer
Protest... ...Wo immer Menschen Gott aufnehmen, dort machen sie aus ihm 'unvermeidlich'
einen Götzen, und dagegen erhebt sich dann der Protest des P[12]
Wir haben Verheißungen, aber wir können Gott nicht darauf festlegen.
Gott ist eben "gegenwärtig, aber nicht gegenstä[13]
"Wenn wir Gott besitzen, so reduzieren wir ihn auf den kleinen Ausschnitt,
den wir von ihm erfahren und begriffen haben, und wir machen aus ihm einen G[14]
Verkündigung
muss priesterlich sein, d.h. vermitteln, missionieren, lehren, aber gegebenenfalls
muss sie auch prophetisch sein. Wenn die Vermittlung sich verfestigt zu einem
Bildnis, muss sie wieder aufgebrochen werden, denn dann ist der lebendige Gott
nicht mehr gegenwärtig - übrig bleiben tote Formen und der Druck auf
die Menschen, sich nach etwas auszurichten, was schon lange nicht mehr zu finden
ist.
"Ein
jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde...
pflanzen, und ausrotten was gepflanzt ist... brechen und bauen... behalten und
we[15]
Wenn
Verkündigung dieser Anforderung gerecht wird, bleibt sie auch dynamisch,
hat sie immer, auch heute etwas zu sagen.
Inhalt
Anfang
1.2 Notwendigkeit, in Bildern zu reden
"Finitum
non capax infiniti!" - "Das Endliche fasst das Unendliche nicht!"
Diese Erkenntnis Calvins wurde von Karl Barth ganz neu entdeckt. "Wir sollen
als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche
nicht von Gott reden...Das ist unsere Bed[16]
Die
Erkenntnis, nicht von Gott sprechen zu können, ist nicht neu. Schon die
alten Griechen mussten sich mit diesem Problem auseinandersetzen.[17]
Dieses Problem ist heute noch genauso aktuell. Allein die Vokabel "Gott"
oder eine Aussage über die Existenz Gottes überhaupt - "Gott
ist" - bedeutet eine Einengung, eine Festlegung Gottes. "...in dem
Sinne, in dem von Seiendem Existenz ausgesagt wird, kann von ihm nicht Existenz
ausgesagt werden... ...im Blick auf das, was im weltlichen Sinn Sein heißt,
'ist' er nicht, und im Blick auf das, was bei ihm Sein heißt, kommt allem
weltlichen kein Sein zu... ...selbst wenn wir 'Er' sagen, sprechen wir noch
nicht ganz sac[18]
"...wenn man die Existenz Gottes behauptet, kann man ihn noch weniger erreichen,
als wenn man seine Existenz leugnet. Ein Gott, über dessen Existenz und
Nicht-Existenz man streiten kann, ist im Universum existierender Dinge ein Ding
neben anderen Dingen. Und es ist durchaus gerechtfertigt, nach der Existenz
eines solchen Dinges zu fragen, und ebenso gerechtfertigt ist die Antwort, daß
es nicht e[19]
Befragt
man sich aber einmal selbst nach der Bedeutung des Wortes "Gott",
dann stellt sich, vielleicht weitestgehend unbewusst, sehr wohl dieses falsche
Bild von "einem Ding neben anderen Dingen", neben Universen oder neben
einem selbst, ein. Im Grunde genommen zieht man aber
damit den Schöpfer auf
die Ebene des Geschaffenen. Ich würde sogar soweit gehen, zu behaupten,
dass das die allgemeinübliche Vorstellung von dem ist, was sich hinter
dem Begriff "Gott" verbirgt. Diese Vorstellung widerspricht jedoch
dem theoretischen Monotheismus, auf den die Propheten seit Deuterojesaja so
strengen Wert legen.
Gott
in einer Reihe existierender Dinge ist ein Götze, nicht mehr der "ganz
Andere". Aufgabe der Verkündigung ist es, auf den wahren Gott zu weisen,
und nun besteht das Problem, wie man das denn verwirklichen soll, wenn man von
Gott direkt nicht reden kann. Es kann "sachgemäß und im strengen
Sinne von diesem Dasein nur als von einem nicht an-sich-seienden, sondern geschehenden
gesprochen werden, nur durch Zeitwort und doxologisch, in Anbetung und Ver[20]
Diese
Lösung ist sehr biblisch, denn vor allem im AT, wie auch in der Verkündigung
Jesu wird mehr Wert gelegt auf Gottes Tun, seine Abwendung oder Zuwendung, als
auf Gottes Sein, wie das in der griechischen Philosophie der Fall ist.
Trotzdem
kommt man so leicht aus dem Dilemma nicht heraus, denn ein bestimmtes Tun setzt
ja ein bestimmtes Sein voraus, und wenn man Antwort auf die Frage geben kann
"Was tut Gott?", zieht das natürlich die Frage "Wer ist
Gott überhaupt?" nach sich. Karl Barth hat sich in seiner dialektischen
Theologie diesem Problem zugewandt und versucht, es zu lösen. Wenn schon
eine Aussage über Gott getroffen werden muss, so darf sie nicht so stehen
bleiben, sondern muss durch das Gegenteil ergänzt werden, "so, daß
ein Wort das andere wieder aufheben [21]
"So bleibt nur übrig, ...Position und Negation gegenseitig aufeinander
zu beziehen. Ja am Nein zu verdeutlichen und Nein am Ja, ohne länger als
einen Moment in einem starren Ja oder Nein zu ver[22]
Fast
wie in einem antithetischen Parallelismus der Psalmen wird erst aus einem Paar
gegensätzlicher Aussagen eine Einheit. Barth denkt hier wie die alttestamentlichen
Verkündiger: der Wahrheit Gottes kann man sich nicht von nur einer Seite
nähern, sondern nur "in der dialektischen Zweiheit, in der eins zwei
werden muß, damit zwei wahrhaft eins [23]
So
versucht Karl Barth Gott zu verkündigen, ohne Ihn zu vergegenständlichen.
Wenn
man von hier aus weiterdenkt, schleicht sich jedoch ein leichter Zweifel ein:
kann Gott nicht auch gerade durch die Dialektik unsachgemäß festgelegt
werden? Ist ständige Dialektik nicht doch ein Versuch, "den Vogel
im Flug zu zeichnen"? Tatsächlich: "...es tritt genau das ein,
was Barth auf alle Fälle vermieden wissen wollte: Die dialektische Bewegung
hört auf, sie wird st[24]
Wenn die Dialektik selbst irgendwann zur Position der Verkündigung wird,
dann hört sie auf, Dialektik zu sein.
Was
nun? Wie kann man verkündigen, wenn es keine Methode gibt, das Unsagbare
zu sagen?
Die
Bibel selbst kann hier eine Antwort geben. Die biblischen Zeugen verkündigen
Gott in Bildern und Symbolen, in einem
Reichtum, der sich gegen jede
Festlegung wehrt. Sie tragen Gottes Offenbarung in einer der geschichtlichen
Situation angemessenen Weise zu den Menschen. Das transzendente Unsagbare wird
durch diese Träger immanent und sagbar. Diese
Bilder sind wie Masken, die Gottes wahres Wesen verdecken und nur einen Teil
deutlich werden lassen. Gott hat es sicher nicht nötig, Sich vor uns zu
maskieren, aber wir haben es nötig. Anders könnten wir nichts von
Ihm begreifen, in keiner Weise zu einer Beziehung zu Ihm finden.
Im
AT wird das besonders deutlich durch den wechselnden Gebrauch der Gottesnamen,
denn mit ihnen wechselt auch jeweils der Akzent, der die Bedeutung Gottes beschreibt.
Als
Beispiel für Bilder, in denen sich die Beziehung Gottes zu Seinem Volk
ausdrückt, könnte man das Bild vom Vater-Sohn-Verhältnis nennen,
in dem der Sohn für Israel, später auch für den König steht,
und das Bild der Ehe.
Im
AT finden sich auch besondere Manifestationen Gottes, durch die Gott sich zu
verstehen gibt: der Engel, der Geist, das Wort Gottes. Er schafft Sich also
Strukturen, in denen sich das Endliche, also der Mensch, und das Unendliche
begegnen können.
Diesen
Gedanken findet man auch bei Paul Tillich, der die Manifestationen Gottes "Gestalten
der Gnade" nennt. Er findet sie z.B. in der menschlichen Gestalt Jesu oder
in der Schwäche der Kirche.[25]
Alles
deutet darauf hin, dass die Aufnahme Gottes ein bestimmtes Bild voraussetzt,
durch das sie geschehen kann. Bilder sind unverzichtbar für die Verkündigung.
Wir haben den "Schatz" nur in "irdenen Gefäßen".
Sie sind als solche zerbrechlich, unvollkommen und haben kein Recht auf Dauer.
Sie stehen unter prophetischer Kritik, wenn sie selbst zum Eigentlichen erhoben
werden oder für das Eigentliche nicht mehr transparent sind.
Darin
liegt aber auch ihre große Chance: wenn sie nichts mehr bewirken, besteht
die Möglichkeit, sie zu verändern oder auszutauschen. Dadurch sind
sie dynamischer als die Dialektik und besser verwendbar in der Verkündigung.
Die Freiheit, Gott in situationsgerechten Bildern zu
verkündigen besteht,
denn die biblischen Zeugen haben es so getan, und Gott selbst begibt Sich in
die Situation, also in die Beschränkung hinein.
"Bilder
von Gott" ist eine unpassende Bezeichnung dafür, das klingt schon
zu sehr nach etwas Festgelegtem, Beurteilbarem, Behandelbarem. "Bilder
vor Gott" wäre eine angemessenere Bezeichnung.
Schlagworte
wie "Entmythologisierung", "nicht-religiöse Interpretation
biblischer Begriffe", "Theologie nach dem Tode Gottes" oder "Neue
Moral" zeigen, dass sich führende Theologen darin einig sind, dass
die Zeit einer Umbesinnung gekommen ist, um den Menschen von heute mit der christlichen
Botschaft gerecht zu werden. Es muss geprüft werden, welche der
"althergebrachten"
Bilder und Begriffe noch in die heutige Lebenswirklichkeit greifen, und welche
aufzugeben bzw. neu zu definieren sind.
Aufgabe
der theologischen Hermeneutik ist jedoch nicht allein die grundsätzliche
Frage "Wie kann man das?", sondern auch die methodische
Frage "Wie macht man
[26] und dieses Problem sollen
die nächsten zwei Kapitel aufgreifen.
Inhalt
Anfang
Ende
1.3. Zwei Weisen, von Gott zu reden
"...ich
werde das Gefühl nicht los, daß die Verständigungsschwierigkeiten
in meiner Kirche mit diesem unzugänglichen Geheimnis von Glauben und Unglauben
gar nichts zu tun h[27]
Dieses
Zitat eines evangelischen Pfarrers scheint ein allgemeines Problem zu beschreiben:
Christen merken, wie ihr Zeugnis der Welt nichts zu sagen hat. Das liegt wohl
kaum an einer Verstockung und Verblendung der Menschen, wogegen man im "geistlichen
Kampf" vorgehen müsste.[28] Es
ist vielfach so, dass sie nicht wissen, was sie mit der christlichen Botschaft
anfangen sollen, welche Bedeutung diese überhaupt für sie hat. Dabei
ist es egal, ob es sich um einen Pfarrer handelt, der von der Kanzel zu immer
weniger Gemeindegliedern spricht, oder um einen ganz normalen Schüler,
der seine Klassenkameraden überzeugen will. Meistens haben die Bemühungen
um die Weitergabe von Gottes Wort ein Ergebnis: es wird nicht gehört, es
scheint keinen zu bewegen, bestenfalls wird man toleriert oder im wahrsten Sinn
des Wortes "stehen gelassen". Die Glaubensinhalte der Botschaft scheinen
der Lebenswirklichkeit der Menschen so fremd geworden zu sein, dass die Verkündigung
größtenteils an ihnen vorbeigeht. Gott ist tatsächlich für
die meisten Menschen tot - sie rechnen nicht mehr mit Ihm, und sie kommen ohne
Ihn genau so gut zurecht.[29]
"Die
Frage, an der sich die Geister scheiden, ist die, ob man die Verweltlichung
der Welt ernst nimmt und also bereit ist, Gott vor der weltlich gewordenen Welt
neu zu verantworten und damit auf eine Weise von ihm zu reden, daß auch
die Zeitgenossen es als eine Rede von Gott verstehen, oder ob man die Verweltlichung
der Welt missachtet und damit auf eine Weise von Gott redet, daß die Zeitgenossen
es nicht mehr als eine Rede von Gott vernehmen und also ihrem Unglauben überlassen
bleiben. Worauf es ankommt, ist, daß es der Theologie gelingt, Gott auf
solche Weise neu zur Sprache zu bringen, daß darin zugleich die Wirklichkeit
der Welt neu zur Sprache kommt, anders ausgedrückt, die Wirklichkeit Gottes
so zu bezeugen, daß dadurch die Wirklichkeit der Welt durchleuchtet, erhellt
und erfüllt [30]
Die
Frage ist nur, wie man das macht. Bei den verschiedenen Ansätzen der verschiedenen
Menschen oder Gruppierungen, die das versuchen, scheinen sich zwei Weisen, von
Gott zu sprechen, herauszukristallisieren: die Konfrontation und die Kommunikation.
Für beide soll nun ein Beispiel folgen. Allerdings ist in unserer westlichen
Kultur Kommunikation mehr gefragt als Konfrontation[31],
und die Zeit des Erfolgs eines konfrontativ-evangelistischen Ansatzes scheint
vorbei zu sein.
Inhalt
Anfang
1.3.1. Karl Barth: "Back to the roots!"
In
Karl Barths theologischer Arbeit kann man zwei Phasen unterscheiden. Die erste
Phase war die der dialektischen Theologie. Karl Barth war derjenige, der nach
einer langen Phase liberaler Theologie die Gottheit Gottes wiederentdeckte.
Schlagworte wie "senkrecht von oben", "unendlicher qualitativer
Unterschied", "Hohlraum", "Todeslinie" oder "mathematischer
Punkt" kennzeichnen diese Phase. Barth erkennt die tiefe Kluft, die den
Menschen von Gott trennt, und die ungeheuere Anmaßung des Menschen, der
diese Kluft immer und immer wieder zu überschreiten versucht. "Religion"
nennt er diese Versuche menschlicherseits, und "Religion" ist für
ihn der Feind schlechthin. Alle menschlichen Versuche, Gott zu denken, geschweige
denn von Ihm zu reden, fallen als Religion unter das Gericht, das Nein Gottes.
Es gibt keinen Weg von unten nach oben, von den Menschen zu Gott.
Leitwort
dieser Phase ist für Karl Barth der Ausspruch Calvins: "Finitum non
capax infiniti!" Glaube ist Barths Ansicht nach keine Position, "kein
Boden, auf den man sich stellen kann, keine Ordnung, die man halten kann, keine
Luft, in der man atmen kann", sondern "das bewegte Verharren in der
Negation", "ein Stand in der [32].
Wirklich leben mit Gott kann man eigentlich nur in der Trennung von Ihm. Für
alles, was wir wissen können, gilt nur: "dominum dixit" -
"der Herr hat geredet".
Daran haben wir uns zu halten, an nichts anderes. Alles menschliche, und daher
auch alle historische Kritik am Wort steht unter der umfassenden göttlichen
Kritik[33], so auch alles Reden von Gott[34].
Daher
sind auch alle Versuche, das Unsagbare in eine angemessene Sprache zu kleiden,
von vornherein zum Scheitern verurteilt. Orientierung ist nur an der Begrifflichkeit
zu suchen, die in der Bibel vorkommt, da sie Gottes offenbartes Wort ist. Der
Versuch, sie zu verändern, ist nicht nur unangemessen, sondern auch unnötig,
denn für den Menschen ragt "die Existenz Gottes... wie die alle Aussicht
versperrende Feuermauer eines niedrigen Nachbars, wie eine feindliche Festung,
wie eine geballte Faust mitten in sein Leben hinein: Er muß sich damit
auseinandersetzen, er muß dazu Stellung nehmen, er muß damit [35]
Von
Gott soll man also nicht anders reden, als es die Bibel und die Kirche schon
immer tun. Die Arbeit des Übersetzens erwartet Karl Barth als Wirken des
Heiligen Geistes, aber nicht als menschliches Wirken, wenn nur Gott recht verkündigt
wird.
In
der zweiten Phase seines theologischen Denkens - er selbst nennt sie "Vertiefung"
- schreibt Karl Barth die "Kirchliche Dogmatik". Er entdeckt die Menschlichkeit
Gottes wieder, und seine Themen sind nun der "dem Menschen begegnende Gott",
und der "Gott begegnende Mensch", ihr "Zusammensein", ihre
"Zwiesprache", ihr "Verkehr" und ihr "[36]
Die Entfernung zwischen Gott und Mensch sieht er nun durch die Zuwendung Gottes,
die Gnade Gottes überwunden. Die Gnade Gottes ist der Punkt, um den nun
alle Gedanken kreisen und von dem aus der Platz für alle anderen Gedanken
zu bestimmen ist: "Den in Jesus Christus geschlossenen Abgrund wieder aufzureißen
kann nicht unsere Aufgabe [37]
Jesus
Christus ist die Gnade Gottes, und alles andere, was von Gott und der Welt gesagt
werden kann, hat hier seinen Anfang und sein Ende. So wird Barths Theologie
zur Christologie, zum christologischen Universalismus.[38]
Er bedient sich nun nicht mehr der Dialektik, sondern der Analogie. In der göttlichen
Dreieinigkeit und Jesus Christus als ihrem zentralsten Punkt ist alles beschlossen,
was es überhaupt gibt. Deshalb können von diesem Vorbild Analogien
zu allen Abschattungen gefunden werden.[39]
Aber diese Analogien sind selbst Offenbarungen Gottes - nicht mehr "senkrecht
von oben" wie ein Bombeneinschlag, sondern wie ein feines Gespinst zwischen
Himmel und Erde, nur für den wahrnehmbar, der glaubt.
Das
Motto für diese zweite Phase seiner Arbeit könnte ein anderes Zitat
Calvins sein: "theatrum gloriae Dei" - "Schauplatz der Herrlichkeit
G[40] Alles, was existiert, existiert
aufgrund der Gnade Gottes mit der Bestimmung, Schauplatz Seiner Herrlichkeit
zu sein.
Was
Karl Barth nicht aufgibt, ist die Kritik der Religion. Er sieht wie zuvor keinen
Weg von unten nach oben. Das gilt auch für die Auseinandersetzung mit anderen
Religionen oder menschlicher Religiosität im Allgemeinen. Und so sieht
er auch immer noch keinen Sinn darin, wegen den Menschen die Begrifflichkeit
oder gar die Bedeutung der biblischen Begriffe zu verändern - sie sind
ja Grundlage seiner Analogien, seiner ganzen Theologie: "Ein bißchen
Sprache Kanaans, ein bißchen "Offenbarungspositivismus" kann
nämlich in der Anrede an uns alle auch eine gute Sache sein und wird nach
meiner Erfahrung...nicht immer, aber oft gerade von den seltsamsten Fremdlingen...vers[41]
"Mit 'Nichtgläubigen', 'Intellektuellen' und moderner Jugend kann
man nach meinen Erfahrungen relativ am besten dann reden, wenn man...so mit
ihnen umgeht, als ob ihrem Widerspruch gegen das 'Christentum' keinerlei ernste
Bedeutung zu[42]
Zum
Teil hat Barth natürlich recht, und auch seine konfrontative Methode hat
sicher ihre Berechtigung. Aber die Frage ist, ob er nicht zu weit geht wie vorher
auch, ob er nicht in einem neuen Rundumschlag auch die anderen guten und wichtigen
Ansätze, die zur Vielfalt und gerade deshalb zum Reichtum des Redens von
Gott beitragen, einfach abschmettert. Dialektisch ist er jedenfalls überhaupt
nicht mehr. Erst im hohen Alter ändert sich das, als er "von den Einsichten
und Korrekturen seines Sohnes, des Indonesienmissionars Christoph, beeinflusst
wurde und nach Angaben von Familienangehörigen geäußert hat,
dass er - könnte er seine Kirchliche Dogmatik nochmals schreiben - diese
heute im Kontext der Religionswissenschaft schreiben [43].
Auf
den Punkt gebracht könnte man Karl Barths Weise, von Gott zu reden, mit
"back to the roots", "zurück zu den Wurzeln" bezeichnen.
Er ist daran interessiert, das Evangelium recht, also orthodox zu verkündigen,
und eine "befremdliche Neuigkeit ist ja das, was wir ihnen... zu sagen
haben, auf jeden [44]. Wenn die
Menschen so mit Gottes Wort konfrontiert werden, wie es ist, werden sie es sehr
wohl verstehen, und es wird nicht leer zurückkommen. Dieser Ansatz findet
sich bei vielen Gruppen verschiedenster Prägung. Er bringt natürlich
seine Frucht. Kirchendistanzierte Menschen werden erreicht, aber im Ganzen gesehen
steht die Frage, ob die Umbesinnung auf den kommunikativen Ansatz, der jetzt
behandelt werden soll, nicht ehrlicher und effektiver wäre.
Inhalt
Anfang
1.3.2. Dietrich
Bonhoeffer: nicht-religiöse Interpretation
biblischer Begriffe
Die
Arbeit Dietrich Bonhoeffers ist ein sehr wichtiges und beeindruckendes Beispiel
dafür, Theologie zwischen Tradition und Situation zu treiben. Das liegt
einesteils an seiner grundehrlichen Einstellung. Er macht sich nichts vor, verschließt
nicht die Augen vor Fragen und Problemen und gibt auch nicht vorschnelle Antworten
in schöngefärbten Sätzen:
"Der
echte Glaube...droht aus Scham und Liebe zu verstummen - oder er fängt
an, ganz neu zu stammeln, nicht indem er nur nach neuen Wörtern, nach einer
zeitgemäßen Ausdrucksweise sucht, sondern indem er fragt, was christlicher
Glaube eigentlich heißt, und so das Wort Gottes noch einmal neu und von
vorn zu verstehen b[45]
"Was
mich unablässig bewegt, ist die Frage, was das Christentum oder auch wer
Christus heute für uns eigentlich [46]
Ganz
ehrlich fragt er sich selbst nach der eigentlichen Bedeutung der Sache, denn
da beginnt die Hermeneutik. Oberflächliche Veränderung biblischer
Begriffe in ein "augenblicklich modernes Kaud[47]
ist eigentlich nur Augenwischerei.
Bonhoeffer
nimmt die Situation der Säkularisierung ernst, nimmt die säkularisierten
Menschen ernst, ohne sie zu verteufeln:
"Es
ist doch nicht nur die Schuld der anderen, wenn sie unsere Predigt ...hart und
schwer finden, weil sie belastet ist mit Formeln und Begriffen, die ihnen fremd
[48]
Anderenteils
ist seine Arbeit keine Schreibtischkonstruktion, sondern gelebte und sogar gestorbene
Arbeit. Er spricht auch mit den Menschen, von denen er spricht und mit denen
er sprechen will. Er hat Umgang mit ihnen, nicht nur während der Zeit der
Gefangenschaft, es zieht ihn "häufig mehr zu den Religionslosen als
zu den Religiösen..., und zwar durchaus nicht in der Absicht der Missionierung,
sondern...'br[49]
Was
bedeutet es nun, die Bibel nicht-religiös zu interpretieren?
Das
religiöse Gebäude hat nach der Erkenntnis Bonhoeffers zwei Grundpfeiler:
den metaphysischen und den individualistischen.[50]
"Metaphysisch" bedeutet, dass im Denken der Menschen, wenn es
um Gott geht, zwei Bereiche existieren: ein irdischer, d.h. vergänglicher,
fleischlicher, weltlicher, sündiger Bereich und ein überirdischer,
d.h. ewiger, geistlicher, himmlischer, heiliger Bereich. Der eine ist für
die Menschen, der andere für Gott, und Gott greift durch besondere Offenbarungen
und Wunder aus dem jenseitigen in den diesseitigen Bereich ein. Dieses Weltbild
wurde von der Kirche tradiert, aber eigentlich kann kein Mensch mehr daran glauben,
außer "noch einige 'letzte Ritter' und intellektuell U[51].
Dieses
Denken ist auch weniger biblisch, sondern mehr in der griechischen Antike begründet,
z.B. in der Ideenlehre von Plato. Allerdings geschah auch schon in der israelischen
Antike z.Zt. des Tempelbaus unter Salomo eine solche Aufspaltung des Lebens
in einen kultisch-sakralen und einen profanen Bereich, aber gerade dagegen richtete
sich ja der Protest der Propheten. Wie sie betont auch Bonhoeffer die Ganzheitlichkeit
des Lebens in der Verantwortung vor Gott.
"Individualistisch"
bedeutet nun, dass es zu einer einseitigen Schwerpunktsetzung kommt. Da der
diesseitige Bereich weniger wert ist als der jenseitige, wünscht sich der
religiöse Mensch "Rettung" oder "Erlösung". Er
richtet den Blick weg von den gegenwärtigen Tatsachen und hält sehnsüchtig
Ausschau nach dem, was "droben" ist. Das "Letzte", nämlich
die Auferstehung und der Anbruch des himmlischen Lebens, wird allein wichtig,
und das "Vorletzte", das irdische Leben, nicht mehr beachtet.
Auch
hier waren in das Christentum griechische Vorstellungen wie etwa die von der
Gefangenschaft der Seele im Körper eingeflossen. Weltflucht, Jenseitsvertröstung
und Leibfeindlichkeit können Folgen eines solchen Denkens sein.
In
der Kritik dieses Denkens lässt sich Bonhoeffer zu sehr radikal klingenden
Aussagen hinreißen, z.B. dass das Christentum keine "Erlösun[52]
oder die "individualistische Frage nach dem persönlichen Se[53]
gar nicht so wichtig ist.
In
seiner Antwort ist Bonhoeffer streng christologisch. "Das Wort ward Fleisch"
ist der Leitsatz, an dem er sich dabei orientiert. Christus kam mitten in diese
Welt, lebte ein menschliches Leben, starb einen menschlichen Tod. Damit qualifizierte
Er diese Welt, sie ist nicht minderwertig. Und wie Er das Jenseitige im Diesseits
war, so ist alles Jenseitige nur mitten im Diesseits erfahrbar, so soll auch
ein jeder sein Leben leben mit allem, was es ihm bringt, und Gott in dem finden
und lieben, was Er gerade gibt. Die Ehe ist nicht weniger wertvoll als das Martyrium,
denn alles Weltliche ist ja von Christus qualifiziert.
Weisheit
spricht aus dieser Sicht der Dinge. Starkes Gewicht legt Bonhoeffer auf die
Passion. Das eigentliche Wesen des Christseins liegt darin, dass der Christ
am Leiden Gottes für diese Welt teilnimmt. Dazu muss er nicht religiös
sein. Ein wirklich transzendentes Leben besteht nicht in der Weltabgewandtheit,
sondern gerade in der Weltzugewandtheit, indem nämlich der Christ wie Christus
für andere da ist. Von dieser Grundlage aus gibt Bonhoeffer auch Impulse
für die Erneuerung der Kirche:
"Die
Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist. Um einen Anfang zu machen,
muß sie alles Eigentum den Armen schenken. Die Pfarrer müssen ausschließlich
von den freiwilligen Gaben der Gemeinden leben, evtl. einen weltlichen Beruf
ausüben. Sie muß an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gemeinsachaftslebens
teilnehmen, nicht herrschend, sondern helfend und di[54]
Wie
in Seiner Kreuzigung Christus hinausgedrängt wurde, so wird Gott auch heute
durch den Prozess der Säkularisierung hinausgedrängt. Hier findet
Bonhoeffer den eigentlichen Knotenpunkt zwischen Wirklichkeitserkenntnis und
Gotteserkenntnis.
Christus
war kein Übermensch, der mit göttlicher Allmacht über den Dingen
stand. Gerade im Gegenteil, nämlich in Seinem Leiden und Seiner Ohnmacht,
bestand sein Sieg: "...nur der leidende Gott kann [55]
Am Kreuz ertrug Er die völlige Gottverlassenheit.
So
soll auch das Leben eines Christen gestaltet sein: er soll die Gottverlassenheit
der Welt ertragen, dieses Kreuz auf sich nehmen und Christus nachfolgen. Wo
er das tut, ist er Christ, und zwar "weltlicher" oder "nicht-religiöser"
Christ. Er wendet sich nicht nach oben, an einen mirakulösen "deus
ex machina", sondern an Christus an seiner Seite.
Echte
Hermeneutik ist also nicht nur eine Sache der Sprache, sondern des gesamten
Lebens: "In der Existenz wird die weltliche Interpretation der Bibel deutlicher
als in der Spekulation. Im Grunde läßt sie sich nicht definieren,
sondern nur pra[56]
Von
dieser Grundlage aus wollte Bonhoeffer auch die anderen biblischen Begriffe
interpretieren: Schöpfung, Fall, Versöhnung, Buße, Glaube, vita
nova, letzte Dinge.[57] Aber es kam nicht
mehr dazu. Am 9.4.1945 wurde er im KZ Flossenbürg umgebracht. Er hat das
Leiden Gottes an dieser Welt geteilt und seine eigene Hermeneutik konsequent
gelebt, bis zum Ende.
Gott
muss Gott bleiben, aber die Welt muss auch Welt bleiben. Freilich hat die Welt
erst von Gott her ihren letzten Sinn und Ernst, und das Leben ist nur in rechter
Weise diesseitig - "nicht die platte und banale Diesseitigkeit der Aufgeklärten,
der Betriebsamen, der Bequemen oder der La[58]
-, wenn es in der Verantwortung und unter dem Zuspruch Gottes gelebt wird. Aber
beides, Gott und die Welt, sind nur in eine rechte Beziehung zu bringen, indem
man sie recht trennt.[59] Diese Erkenntnis
[60] ist sehr wichtig, denn das Leben wird so als gut und
ganz in sich qualifiziert. Es braucht nicht noch einen religiösen Zusatz,
um vollständig zu sein. Der Prozess der Säkularisierung muss nicht
mit Biegen und Brechen wieder rückgängig gemacht oder einer "posivistische(n)
Offenbarungslehre..., wo es dann heißt 'friß, Vogel, oder s[61]
gegenübergestellt werden. Nein, wenn die Welt weltlich wird, ist das gut,
denn so darf sie und so soll sie sein.
Für
die Verkündigung bedeutet Bonhoeffers kommunikativer Ansatz, dass Glaube
an Gott sich mitten im Leben abspielt und genau an dieser Stelle auch etwas
zu sagen hat.
Inhalt
Anfang
1.4. Die Methode der Korrelation
"Theologie
steht in der Spannung zwischen zwei Polen: der ewigen Wahrheit ihres Fundamentes
und der Zeitsituation, in der diese Wahrheit aufgenommen werden [62]
"Das
'Wort Gottes' ist ein zweideutiger Begriff. Es wird oft für das geschriebene
Bibelwort gebraucht. Aber kein Bibelwort ist für uns Gottes Wort, sofern
wir die Wirklichkeit unserer geschichtlichen Situation aufgeben müssen,
um es zu verstehen. Auch das biblische Wort kann uns nicht erreichen, wenn es
nicht gegenwärtig [63]
Diese
zwei Zitate machen schon deutlich, dass Paul Tillich auch ein Befürworter
des kommunikativen Ansatzes ist.
Zwischen
biblischem Wort und geschichtlicher Situation besteht also ein Zusammenhang,
eine Korrelation, die bestehen muss, damit biblisches Wort für uns Wort
Gottes sein kann. Tillich hat damit etwas vom Wesen des Wortes Gottes, vom Wesen
der Offenbarung erkannt. Das biblische Wort selbst war ja Wort für eine
geschichtliche Situation. Gott selbst ist nicht an Sich denkbar, sondern immer
nur im Bezug auf die Menschen. Er ist kein in Sich ruhendes höchstes Wesen,
das erkannt werden kann, wie es wirklich ist, oder auch nicht. "Einen Gott,
den 'es gibt', gibt es [64] Gott
wendet sich zu oder ab, jedenfalls ist er in Bewegung bezüglich der biographischen
Situation eines Menschen oder der geschichtlichen Situation vieler Menschen.
Also auch zwischen Mensch und Gott besteht eine Korrelation!
Was
Paul Tillich "Methode der Korrelation" nennt, bedeutet eigentlich
nichts weiter, als dass durch die Theologie göttliche Antworten auf menschliche
Fragen formuliert werden. Wesentlich dafür sind nicht nur die Antworten,
die der göttlichen Offenbarung entnommen sind, sondern gerade auch die
Fragen, wie sie die Menschen in ihrer geschichtlichen Situation existentiell
betreffen. Würden diese Fragen nicht gestellt werden, wäre die Antwort
keine echte Antwort, die Offenbarung keine wirkliche Offenbarung, sondern ein
"Schuss ins Leere":
"Wir
kennen keine andere Offenbarung als die Begegnung von Göttlichem und Menschlichem,
an der das Menschliche faktisch beteiligt ist. Das Göttliche ist ein Feuer,
das das menschliche Erz umschmilzt, aber was sich ergibt, ist nicht von der
Art des [65]
Natürlich
ist das biblische Wort offenbartes Wort. Aber zwischen der Situation der ersten
Hörer bzw. Leser und unserer Situation besteht wirklich ein "himmelweiter"
Unterschied. Für uns ist diese Wort nicht mehr direkte, sondern potentielle
Offenbarung. Sie muss uns zugeeignet werden, vermittelt, und zwar unserem "Verständnishorizont"
entsprechend, denn wie Martin Buber feststellt, sind wir als Menschen am Ereignis
der Offenbarung immer beteiligt. Gottes Wort geschieht nicht über unseren
Kopf hinweg.
Es
ist nötig, bei der geschichtlichen Situation der Menschen anzuknüpfen,
um ihnen die Offenbarung Gottes zuzueignen. Sonst ist da nicht Gottes Wort,
das verkündigt wird, sonst geht die Verkündigung vorbei an den Menschen.
Darüber hinaus müssen existentielle Frage und theologische Antwort
auch in der Sprache der jeweiligen geschichtlichen Situation formuliert sein.
Ein Beispiel: wie Bonhoeffer hält auch Tillich das Reden von einem Gott
"hoch droben" für nicht mehr haltbar. Den Begriff "Höhe"
vertauscht er mit dem der "Tiefe", der uns vertrauter ist: tiefsinnig,
Bedeutungstiefe, Tiefe des Lebens usw.
Ist
aber nun die Antwort, also die Offenbarung, abhängig von der menschlichen
Frage? Wenn es so ist, ist es keine echte Offenbarung mehr, die von jenseits
jeder menschlichen Existenz uns zugesprochen wird. Auch kann es nicht so sein,
dass Fragen aus vorgefertigten Antworten hergeleitet werden, wie das in der
Praxis des öfteren der Fall ist, denn dann sind ja die Fragen nicht mehr
echt.
Damit
es dazu nicht kommt, ist die theologische Hermeneutik notwendig. Sie ist sozusagen
die Schaltstelle im "Frage-Antwort-Spiel", der Transformator zwischen
Gott und den Menschen. Inhaltlich dürfen menschliche Frage und göttliche
Antwort nicht voneinander abhängig sein.[66]
Formal müssen sie es sein, um zueinander zu passen wie zwei Puzzleteile
oder ein Schlüssel ins Schloss. Nur so kann ein Bild entstehen oder eine
Tür geöffnet werden.
Das
theologische System, in dem der Fragesteller sich bewegt, gibt den Fragen ihre
Form und richtet sie auf die Antwort aus. Andererseits darf die Antwort den
Menschen nicht wie ein Fremdkörper präsentiert werden. Sie muss die
Form der Fragestellung annehmen, also Fleisch werden.
Bevor
also verkündigt werden kann, muss richtig hingehört werden auf die
Menschen, ihre Fragen und die Sprache, in der sie diese formulieren. Bevor verkündigt
werden kann, muss die geschichtliche Situation der Menschen untersucht werden.
Inhalt
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2. Analyse: Religion im ausgehenden 20.Jahrhundert
2.1.
Menschliche Grundfragen
"Der
Mensch IST die Frage nach sich selbst, noch ehe er irgendeine Frage gestellt
[67]
Fragen
gehört zum Menschsein, und Grundfragen der Menschen sind immer gleich:
woher komme ich, wohin gehe ich, woher beziehe ich meinen Wert, was ist der
Sinn meines Daseins. Es sind Fragen nach Gott, Liebe, Leid und Tod. Diese Fragen
wurden schon sehr früh in der Menschheitsgeschichte
gestellt, wie die Analyse
mythologischen Materials beweist.[68]
Aus
der Pädagogik weiß man, dass Kinder schon ab dem vierten Lebensjahr
diese Fragen stellen und Antworten darauf suchen.
Schamanen,
Priester, Philosophen und Theologen haben schon immer versucht, Antworten zu
geben. Keine Antwort kann jedoch endgültig formuliert werden. Wenn christliche
Verkündigung glaubwürdig sein will, muss sie Antworten geben können,
die wirklich Antworten sind, nicht nur rezitierte Lehrsätze; Antworten,
die die Menschen treffen.
Es
scheint, dass der Mensch diverse Bilder oder Mythen in sich selbst trägt,
die ihm diese Fragen zu beantworten versuchen. Sehr interessant wäre an
dieser Stelle eine Untersuchung zu C. G. Jungs Archetypen und dem Unbewussten
[69]: "Jeder Mensch - selbst der Atheist - findet in
seinem Unbewussten Bilder Gottes [70]
Wie verhalten sich Jungs Theorien zu den Grundfragen der Menschen? Könnte
christliche Verkündigung nicht evtl. hier anknüpfen - nur anknüpfen!
- und so einen leichteren Weg finden, nicht nur gehört, sondern auch verstanden
und angenommen zu werden?
Das
wäre jedoch das Thema einer Examensarbeit für sich, es kann an dieser
Stelle nicht erörtert werden.
Warum
sollte aber die Psychologie nicht der Verkündigung helfen können?
Wenn man es mit der Fleischwerdung des Wortes ernst nimmt, gehört sie letztendlich
dazu. Und wenn Unbewusstes und Archetypen den Menschen in irgendeiner Weise
beeinflussen, könnte es eine gute Möglichkeit sein, sie zu benutzen,
um das Wort Fleisch werden zu lassen.
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2.2. Kulturbedingte Fragen
"Geschichtliche
Situation" ist ein dehnbarer Begriff. Im weiteren Sinn stehen wir in der
geschichtlichen Situation unserer Kultur.
Die
moderne Kultur hat in der Aufklärung den "entscheidenden Punkt, an
dem sie sich selbst ihrer voll bewußt [71].
Hinter sie kommen wir nicht zurück, und um sie nicht herum. Mit der Aufklärung
begann auch die Säkularisierung. Der Mensch begann, sich in allen Bereichen
seines Lebens wissenschaftlich-technischer Methoden zur Erklärung der Welt
zu bedienen. Das hatte drei entscheidende Folgen:
2.2.1.
Die Preisgabe
der Teleologie
Der
mittelalterliche Mensch sah sich dem Willen Gottes gegenüber. Mit der Vorstellung
vom Willen Gottes verband sich die Vorstellung von einem Ziel aller irdischen
Geschichte, auf das dieser Wille hinsteuert. Dieses Ziel war die Wiederkunft
Christi und die eschatologische Erneuerung der Welt. Innerhalb dieses zielgerichteten
Willens hatte jeder Mensch seinen Platz und seine Bestimmung.
Mit
der Entwicklung der Wissenschaften wird jedoch die Teleologie aus dem Bereich
modernen Denkens verdrängt. Die Kategorien von Ursache und Wirkung reichen
aus, um die Welt zu erklären, die Kategorie von Bestimmung und Ziel hat
da keinen Platz mehr. Sie ist sogar eher hinderlich, wenn man nämlich Fakten
erhalten will, denn sie lässt sich nicht in ein analytisches und mathematisches
System eingliedern.
Die
Wissenschaft blieb natürlich nicht bei der Erforschung der Natur stehen,
sondern dehnte sie auch aus auf "menschliches Verhalten, Arbeit und Gesel[72].
Hier lässt sich die Kategorie der Bestimmung nicht so leicht verdrängen,
denn alle Arbeit hat ja ein bestimmtes Ziel. Aber die Entwicklung zur kapitalistischen
Marktwirtschaft begünstigte diesen Trend. Durch Mechanisierung und Marktforschung
wurden alle Arbeitsprozesse in ein System eingegliedert, in der sie keine Bestimmung
mehr an sich haben, sondern ein Teil des ganzen sind, das nach erklärbaren
Gesetzen funktioniert. Das Prinzip von Ursache und Wirkung wird hierbei ersetzt
durch das Prinzip von Angebot und Nachfrage.
Auch
in anderen soziologischen Zusammenhängen wurde die Teleologie und damit
auch Gott ausgeschaltet. In der Rechtswissenschaft sagte z.B. schon Anfang des
17. Jahrhunderts der Holländer Hugo Grotius, dass das Recht Gültigkeit
besitze "etsi Deus non daretur" - "auch wenn es Gott nicht gäbe".
Mit
allen positiven Folgen, die diese Entwicklung mit sich brachte, und ohne die
wir heute nicht so gut leben könnten, gibt es doch negative Begleiterscheinungen,
die unser Leben besonders prägen. Besonders zu nennen ist das verstärkte
Gefühl von Sinnlosigkeit. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist eine Frage
von transzendentem Charakter, da sie die Antwort nicht im irdischen, d.h. vergänglichen
Bereich sucht. Nicht nach einem guten Leben, Erfüllung der materiellen
Wünsche, Sicherheiten wird hier gefragt, sondern nach dem wirklichen Sinn,
letztendlich nach dem Sinn allen Lebens. Mit der Preisgabe der Teleologie sieht
sich der Mensch nun der Sinnlosigkeit ausgesetzt.
Genau
das sieht auch Paul Tillich als das eigentliche Problem der Neuzeit: "Die
Angst, die unser Zeitalter beherrscht, ist die 'Angst des Zweifels und der Sinnlosigkeit':
Man fürchtet, den Sinn der eigenen Existenz zu verlieren oder bereits verloren
zu h[73]
Der
Mensch am Ende der Neuzeit steht in einer Situation von "Zerrissenheit
und Zwiespalt, Selbstzerstörung, Sinnlosigkeit und Verzweiflung in allen
Lebensber[74].
Zum
vulkanartigen Ausbruch kam diese Erfahrung erst im 20. Jahrhundert durch die
Erschütterung der beiden Weltkriege. War vorher noch aufklärerischer
Idealismus prägend, der den Frieden schaffen wollte - noch vom ersten Weltkrieg
erhoffte sich der britische Schriftsteller H. G. Wells, er sei "the war
that´ll end wars", "der Krieg, der die Kriege beenden wird"
-, Gerechtigkeit und eine bessere Welt, so tritt im 20. Jahrhundert an seine
Stelle kritischer Realismus und Resignation.
Der
Mensch der Aufklärung glich Prometheus. Er hatte hohe Ziele und Ideale,
er wollte das Feuer vom Himmel holen. Der Mensch des 20. Jahrhunderts gleicht
Sysiphos. Tag für Tag wälzt er seinen Stein den Berg hinauf, und wenn
dieser wieder herunterrollt, bleibt er vielleicht einen Moment stehen und fragt,
welchen Sinn es hat, hinterherzulaufen und von neuem zu beginnen, aber er tut
es. Er verrichtet die tägliche Arbeit ohne das hohe Ideal, die Welt verbessern
zu wollen. Zwei Weltkriege und hunderte weitere Kriege und Konflikte haben ihn
gelehrt, dass er das nicht so einfach kann. Er tut, was zu tun ist, und tut
es im Anblick der Sinnlosigkeit. Könnte durch Verkündigung und Seelsorge
nicht hier ein entscheidender Beitrag geleistet werden?!
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2.2.2. Absolutes Glücksstreben
Fragt
man nach Glück, dann fragt man gleichzeitig nach der Bestimmung des Menschen.
Da man aber die Teleologie aufgegeben und keinen Platz mehr für Bestimmung
und Ziel hatte, hing fortan die Definition von "Glück" von jedem
persönlich ab. Im wahrsten Sinn des Wortes wird so ein jeder seines Glückes
Schmied.
Mit
der Entwicklung der Wissenschaften bildete sich im 18. Jahrhundert die Idee
des Fortschritts vollständig aus. Wenn alles erklärt werden kann,
so kann auch alles beherrscht werden. Die Aufklärung war beseelt von dem
Gedanken, eine bessere Welt zu schaffen. Das endgültige, letzte, jenseitige
Ziel wurde vorweggenommen zu einer diesseitigen Machbarkeit, der Garten Eden
zum irdischen Arbeitsfeld. "Das 18. Jahrhundert verlagerte die Heilige
Stadt aus der jenseitigen Welt ins D[75]
Beides
hat einen tiefen Einschnitt im Leben der Menschen zur Folge: "Die Menschen
des Mittelalters glaubten mit tiefem Ernst, daß endgültiges Glück
nur jenseits des Todes liege. Sie erwarteten es in seiner Fülle nicht auf
dieser Erde. Aber die Methoden moderner Wissenschaft liefern keinen Anhaltspunkt,
daß man an irgendetwas nach dem Tode glauben könnte. Darum muß
man den ganzen Umfang menschlichen Glücks in den wenigen kurzen und ungewissen
Jahren erreichen, die uns vor dem endgültigen Ende durch den Tod beschert
sind. Umso hektischer wird das Verlangen nach Glück, angstbeladener, als
es die Menschen des Mittelalters je [76]
Weil
aber auch das absolute Glücksstreben unter die Erfahrung der Sinnlosigkeit
fällt, wird es noch verzweifelter. Es ist ein Teufelskreis, und die christliche
Botschaft könnte eine Perspektive geben, ihn zu durchbrechen. Ein Stichwort
wäre "Hingabe".
Bringt
die Erfahrung der Sinnlosigkeit die Zerrüttung der menschlichen Psyche
mit sich, so ist die letzte Konsequenz des absoluten Glücksstrebens die
Zerstörung der Erde. Hier könnte die Verkündigung eine wesentliche
prophetische Aufgabe übernehmen, und hier liegt vielleicht auch die Substanz,
mit der man den biblischen Begriff "Buße" oder "Umkehr"
nicht-religiös, aber verständlich füllen könnte.
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2.2.3. Aufspaltung in zwei Lebensbereiche
Durch
die Aufklärung ging die mittelalterliche Einheit von Materie und Geist,
Mythos und Welt, Religion und Wissenschaft verloren. Bei der Welterklärung
wurden nur noch strenge Tatsachen akzeptiert. Dabei übersah man, dass Mythen
eine Art von Welterklärung sind, für die Wissenschaft nicht ausreichend
ist. Grundfragen des Lebens, auch Wertfragen können mit Ursache und Wirkung
nicht hinreichend beschrieben werden.
Die
Folge dieser Trennung war für die Religion, dass sie keine öffentlich
prägende Kraft mehr darstellte, sondern den Rückzug in den Privatbereich,
in die Innerweltlichkeit antreten musste. Nun war "Vernunft die oberste
Herrscherin... Sie kann sich nicht beugen vor irgendeiner anderen Autorität
als vor den sogenannten Tatsachen. Keine angenommene göttliche Offenbarung,
keine noch so alte Tradition und kein noch so heiliges Dogma dürfen gegen
den Gebrauch der Vernunft ein Veto e[77]
Vernunft
und Tatsachen bilden also den einen Bereich des Lebens, den öffentlichen
Bereich. Der andere Bereich ist der private Bereich der Werte, Überzeugungen
und persönlichen Meinungen. Hier gilt, dass "jeder nach seiner Fasson"
glücklich werden soll. Das ist die Plausibilitätsstruktur unserer
Gesellschaft.[78] Und so kann es zu dem Phänomen
kommen, dass ein moderner Mensch in dem eigenartigen, schizophren anmutenden
Zwiespalt steht, einerseits nur das korrekt Beweisbare glauben zu dürfen
und andererseits jedes noch so unmögliche Hirngespinst glauben zu können.
Abweichungen
von der Plausibilitätsstruktur, also von den vorgegebenen Grundlagen oder
Traditionen einer Kultur wird als "Häresie" bezeichnet. Da es
im privaten Bereich keine verbindlichen Strukturen mehr gibt, sondern Pluralismus
herrscht, ist Häresie Normalität, und es gilt der "häretische
I[79]: "Der westliche
Kulturkreis läßt im Gegensatz zu anderen Kulturkreisen den Menschen
in sehr weit gezogenen Grenzen die Freiheit, ihre eigenen Vorstellungen zu entwickeln
von dem, was gut und erstrebenswert ist... welcher Lebenswandel geschätzt
wird, welche ethischen Regeln privates Leben bestimmen sollen... ...Der konkurrierende
Wahrheitsanspruch anderer Religionen wird nicht als Herausforderung zur Auseinandersetzung
und eigener Standortbestimmung angesehen. Vielmehr sind sie schlicht Teil des
Mosaiks - oder vielleicht sollte man sagen Kaleidoskops - der verschiedenen
Wertvorstellungen, die erst zusammen das ganze Bild fo[80]
Dementsprechend ist die entscheidende Form der Kommunikation heute nicht die
argumentative Auseinandersetzung, sondern der Dialog; überhaupt ist statt
Konfrontation Kommunikation angesagt.
Weiterhin
fällt, wie Newbigin hier auch verdeutlicht, eine weitgehende Überzeugungslosigkeit
auf, die ein wesentliches Merkmal der westlichen Kultur zu sein scheint. Grund
dafür ist einerseits die Werteverunsicherung der Menschen. Im öffentlichen
Leben gibt es das "Ideal, das man paradoxerweise so definieren kann, dass
das einzig wirklich Wertvolle wertfreie Fakten [81].
yes"> Als
Mensch muss man sich aber für bestimmte Werte entscheiden. Diese Entscheidung
unterliegt heute der Freiheit jedes Einzelnen, sie gehört in den privaten
Bereich, in gewissen Grenzen natürlich. Als einzige Verbindlichkeit könnte
man einen nicht genau definierbaren humanistischen Konsens annehmen, der öffentlich
propagiert wird. Da er aber das absolute Glücksstreben einschränkt,
wird er im privaten Bereich doch nicht konsequent verfolgt, wie Berichterstattungen
immer wieder beweisen.
"Denker
der Aufklärung stellten die Frage, wie man denn logisch von der Feststellung
einer Tatsache ('das ist so') zur Beurteilung eines Wertes ('das sollte anerkannt
oder getan werden') kommen könnte", aber es gibt "logischerweise
keinen gangbaren Weg vom 'ist' zum '[82]
An
dieser Stelle schließt sich der Kreis wieder zur Teleologie. Überhaupt
sind alle drei Punkte eng miteinander verbunden. Hätte man im modernen
Weltbild die Kategorie einer Bestimmung, eines Zieles, dann gäbe es eine
Lebensausrichtung, dann gäbe es Werte, dann gäbe es eine Überzeugung.
Ohne Teleologie kann es aber keine Überzeugung geben, weder christlich
noch sonst wie.
Neben
der Werteverunsicherung ist der andere Grund für die Überzeugungslosigkeit
wohl da zu suchen, dass konsequentes Vertreten von Überzeugungen nur in
der Nähe radikaler oder sektiererischer Gruppen vermutet wird, die wiederum
dem humanistischen Konsens nicht entsprechen. Vertreter dieser Gruppen sind
dann wirklich Häretiker, d.h. sie weichen von der Plausibilitätsstruktur
unserer Gesellschaft ab und werden als solche nicht mehr toleriert.
Für
die christliche Verkündigung ergibt sich hier eine ganze Reihe von Aufgaben:
Wie kann sie wieder über den Bereich des Privaten hinausgreifen in den
Bereich der Öffentlichkeit, ohne intolerant zu werden oder durch eine zu
fundamentalistische Haltung die Menschen zu verschrecken?[83]
Wie kann die christliche Botschaft wieder gesellschaftsprägend-reforma-
torisch wirksam werden? Wie kann sie überzeugende Werte vermitteln? Wie
kann sie unter einer glaubwürdigen Teleologie den Menschen wieder zur Erfahrung
der Ganzheitlichkeit des Lebens verhelfen?[84]
Abschließend
zu diesen durch die Aufklärung bedingten kulturellen Fragen muss noch gesagt
werden, dass wir heute wieder an einem Wendepunkt stehen. Die Naturwissenschaften
befinden sich gegenwärtig in einem "Paradigmenwechsel von einer eher
mechanischen zu einer mehr holistischen Weltansicht,... Descartes ...trennte
Materie strikt vom Geist. Doch solcher Dualismus ist heute nicht mehr en vogue.
Denn die Forscher-Avantgarde beschreibt den Kosmos inzwischen als zusammenhängenden,
lebendigen Organismus. Die moderne Physik erkennt nicht länger einen Unterschied
zwischen stofflicher Substanz und Be[85]
Vielleicht
wird auch im Gespräch mit den Naturwissenschaften wieder Platz für
Gott.[86]
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2.3. Religiöse Fragen im ausgehenden 20.Jahrhundert
"Wir
gehen einer völlig religionslosen Zeit entgegen; die Menschen können
einfach, so wie sie nun einmal sind, nicht mehr religiös [87]
Hatte
Dietrich Bonhoeffer mit seiner Prognose recht? Stehen wir am Ausgang des 20.
Jahrhunderts vor einer völlig religionslosen Zeit?
Das
kommt darauf an, was man unter Religion versteht. Einerseits nehmen wir die
Zunahme neureligiöser Bewegungen und die Erweiterung des Einflussbereichs
von Esoterik und Spiritismus wahr. Andererseits schreitet die Entkirchlichung
der Menschen unaufhaltsam voran. Trotz der Rede vom "religiösen Markt"
muss man feststellen, dass der Prozess der Säkularisierung und damit der
Säkularismus als Lebenshaltung immer tiefer geht - weiter um sich greifen
kann er ja kaum noch. Und doch scheinen wiederum religiöse Symbole eher
an Beliebtheit zu gewinnen als zu verlieren. In etwa jedem zehnten Popsong der
achtziger Jahre tauchte das Symbol "Engel" auf.
M.E.
kann man von einer völlig religionslosen Zeit in dem Sinn sprechen, dass
Religion selbst unter den Einfluss der Säkularisierung gerät. Sie
erfährt eine totale Veränderung, wird ihres ursprünglichen Sinnes
beraubt und neu definiert.
Die
Rede vom "religiösen Markt" ist insofern sehr treffend, wie sie
verdeutlicht, dass Religion zur Ware wird. Andererseits könnte man auch
sagen, dass Ware, oder besser "die Welt des Kaufens und Verka[88]
religiöse Bedeutung erlangt. Beides, Weltliches und Religiöses, verschmilzt
also. Es verschmilzt aber nicht in Aufwärtsrichtung, sondern in Abwärtsrichtung.
Im Grunde genommen ist dieser Prozess der Verschmelzung von Welt und Religion
im Mittelalter sehr ähnlich. Er lässt sich auch feststellen, wenn
es um alternative Heilmethoden, um das Rätsel der Pyramiden oder die Herkunft
des Lebens geht: fast überall spielen im "Volksglauben" religiöse
oder pseudoreligiöse Momente eine Rolle, und zwar so eng verwoben mit der
Substanz, dass beides kaum mehr voneinander trennbar ist: "Religion weist
hier nicht mehr auf Transzendentes, sondern weiht Immanenz. Vom Jenseits entkoppelt...
mit dem Diesseits ver[89]
"Freilich:
im säkularisierten Gut leben Dimensionen des Ursprungsbereiches fort, sonst
würde es im Profanen seine Funktion nicht erfüllen können...
Das religiöse Muster verweist jedoch nicht mehr auf ein Jenseits, sondern
das säkulare Produkt wird durch Jenseitiges er[90]
Religion
kann heute in unserer westlichen Kultur kaum noch für sich selbst sprechen.
Sie muss eine bestimmte Funktion erfüllen, z.B. als Unterhaltungs-, Bildungs-
oder Freizeitwert dienen. Oder sie hilft zur Selbstfindung des Menschen, oder
zur Transzendenzerfahrung des Menschen, oder zum seelischen Ausgleich des Menschen,
oder zur Ganzheitlichkeit des menschlichen Lebens. Immer steht jedoch der Mensch
dabei im Mittelpunkt. Er ist nicht mehr "Diener des Herrn", sondern
er läßt sich bedienen. "Wo der Markt religiös wird, stiftet
Religion keine Gemeinschaft mehr, sondern eine Produk[91]
Religion muss sich dem absoluten Glücksstreben unterordnen, sie ist ein
Teil des Angebots auf dem Weg durchs Leben.
Analog
dazu ist Religiosität
sog. nicht-verfasste Religiosität.
Eine große und festgefügte Gemeinschaft ist nicht mehr erwünscht,
man will anonym bleiben und nicht festgelegt werden. Glaube wird immer mehr
"Glaube ohne [92], zumindest
ohne Kirchenbewusstsein. Die Strukturentwicklung tendiert eher zu kleinen, fast
familiären Kreisen oder lockeren Netzwerken. Die Beziehungen der Menschen
untereinander sind hauptsächlich bestimmt durch gemeinsame Interessen und
Ansichten und werden geregelt durch Angebot und Nachfrage. Besteht keine Nachfrage
mehr, dann kann man den Kreis wieder verlassen. Eine solche Bewegungsfreiheit
wird als wohltuend empfunden. So kommt es, dass man zwischen den Kreisen "pilgert",
dass man Religion diskontinuierlich und punktuell ausübt, wie man es eben
gerade braucht. Man hat als Kunde keine Verpflichtungen. Letztendlich führt
das dazu, dass es kein allgemeinverpflichtendes Modell von Religiosität
mehr gibt, nur noch Phänomene, keine Gebote, nur noch Angebote, keine allgemein
gültige Wahrheit, nur noch relative Wahrheit.
Religion
als Gottesverehrung hört langsam auf zu existieren, statt dessen tritt
an diese Stelle Religion als Selbstverwirklichung. Von einer Lehre, gar Ideologie
kann man nicht mehr sprechen. Einziges verbindliches Element ist der weitgehend
private Charakter der Religionsausübung.[93]
Sinn- und Zielfragen kann so eine Religion nicht mehr beantworten, außer
vielleicht mit dem Hinweis auf ein gutes und erfülltes Leben. Da das aber
keine echten Antworten sind[94], kommt es
bei den meisten Menschen zu sog. "Sinnvermeidungsstrategien", die
nichts anderes als Verdrängung sind.[95]
Man lebt eben, und man lebt auch ohne Religion.
Für
die christliche Verkündigung wird diese Situation sehr schwer zu bewältigen
sein, da ihr Stück für Stück der Boden, auf dem sie gebaut hat,
entzogen und enteignet wird. Unweigerlich stellt sich angesichts der Tatsachen
die Frage
"Warum überhaupt
Verkündigung?" Aber wie schon gesagt, "Es geht um Gott!"
Wie soll dann aber verkündigt werden?
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3. Ausblick: Verkündigung im ausgehenden 20.Jahrhundert
Eigentlich
wollte ich diesen letzten Teil mit "Konsequenzen" überschreiben,
aber ich merke, dass ich das nicht leisten kann. Auch "Ausblick" ist
eigentlich noch zu hoch gegriffen.
Ich
halte es mit Heinz Zahrnt, der im Blick auf Bonhoeffer sagt: "Die weltliche
Interpretation der Bibel kann man nicht entweder haben oder nicht haben, sondern
man kann sich nur immer wieder neu um sie bem[96]
So muss es auch mit unserer Verkündigung sein: wenn wir die Aufgaben der
theologischen Hermeneutik im ausgehenden 20. Jahrhundert kennen, müssen
wir uns bemühen, ihnen gerecht zu werden. Einen Fahrplan dazu kann aber
keiner erstellen. Doch einige Anregungen, die mir selbst wichtig geworden sind,
sollen diese Arbeit abschließen.
Da
ist zunächst einmal das, was ich bei Bonhoeffer gefunden habe und mit "theological
correctness" bezeichnen möchte. Es gilt, beides, den Glauben und die
Welt, ernst zu nehmen, und deshalb ganz ehrlich zu sein. Ganz ehrlich heißt
auch, dass wir über nichts sprechen sollten, was wir nicht einsichtig darlegen
und erklären können. Ernstzunehmende Einwände gegen den Glauben,
auf die wir keine Antwort haben, sollten wir weder mit gut formulierten theologischen
Konstruktionen noch mit frommen Sprüchen abtun. Schwerer, aber ehrlicher
ist es, sie so stehen lassen zu können. Wenn wir das aber können,
wird man uns auch als Gesprächspartner ernst nehmen. Es kann sein, dass
uns selbst die Bedeutung unseres Glaubens und seiner Symbole und Begriffe ganz
entgleitet, wenn wir uns mit der Welt konfrontieren lassen. Ist das so, dann
ist es m. M. nach sogar besser, zu schweigen und zu beten und das Gerechte unter
den Menschen zu tun.[97]
Zum
Ernstnehmen der Welt gehört es, den Menschen, mit denen wir es zu tun haben,
volle Achtung als Mensch und gleichwertiges Gegenüber entgegenzubringen.
"Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen
- sei es einen Heiligen oder einen bekehrten Sünder oder einen Kirchenmann...,
einen Gerechten oder einen Ungerechten..., dann wirft man sich Gott ganz in
die A[98] Deshalb sollten wir
auch nicht aus den Menschen, mit denen wir zu tun haben, etwas machen. Sie sollten
so bleiben können, wie sie sind, und nicht erst als Voraussetzung für
den Erfolg unserer Verkündigung sich mit irgendetwas anderem identifizieren
müssen.
"Der
Orthodoxe wird ihn als 'Sünder' bezeichnen; der Neuorthodoxe als 'Geschöpf';
der Liberale vielleicht als 'Seele'. Aber die richtig verstandene Bibel wird
ihn als Menschen an[99] Wir
sollen ihn als Mensch sehen und ihm zuhören, dann wird sich aus seinen
Fragen und Problemen ein Zuspruch oder Anspruch, wie wir ihn von Gott her wissen,
ergeben.
Paul
Tillich, der mit einem "Ende der protestantischen Ära" rechnete,
hat sich deshalb bemüht, die Form eines Christentums zu umreißen,
wie es kommen müsste, um wieder die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit
zu ergreifen und zu verändern. Unter anderem nennt er einen "evangelischen
Katholizismus": "Ein Protestantismus, in dem Meditation und Kontemplation,
Ekstase und 'mystische Vereinigung' keinen Raum mehr haben, hat aufgehört,
Religion zu sein; er ist zu einem intellektuellen und moralischen System in
traditionellen religiösen Begriffen gew[100]
Damit schließt sich der Kreis wieder zu der fundamentalen Bedeutung von
Bildern. Es kann nicht sein, dass Verkündigung nur aus Lehren und Rezitieren
besteht. Viel wichtiger ist das Zeigen Gottes.[101]
Wir müssen den Menschen eine Vision, ein Sehen von dem vermitteln, wie
Gott ist; wie Gott mit ihnen, in ihrer Situation ist. Das ist mehr als ängstliche
Apologetik, das erfordert einen mutigen Schritt nach vorn, ins Ungewisse, aufs
Wasser. Der Mensch, mit dem ich rede, muss sich darauf einlassen. Tut er es
nicht, kann ich ihm nichts beweisen oder begründen. Das ist für meine
Begriffe recht verstandene Mission.
Noch
etwas wird deutlich: "evangelischer Katholizismus", das ist etwas,
was jenseits von Konfessionsstreitigkeiten liegt. Das ist der andere wichtige
Punkt, der mir hier aufgeht. Schon Bonhoeffer hielt die Unterschiede für
nicht mehr echt.[102] Ich denke, dass auch
unsere Verkündigung so sein muss: jenseits von katholisch oder evangelisch,
jenseits von sakral und profan und, das ist mir besonders wichtig, jenseits
von liberal und konservativ.
Wenn
sich die Fronten so verhärten, wenn die Verkündigung so eingleisig
fährt, dann kann sie nicht viel bewirken. Sie ist dann nicht mehr, wie
soll ich sagen... inspiriert. Es darf nicht dazu kommen, dass wir unsere innertheologischen
Streitigkeiten auf dem Rücken der Hörer austragen, aber auch schon
die ängstliche Abgrenzung gegen eine andere Glaubensrichtung ist ein großer
Schaden. Ständig darauf bedacht, ja nicht das falsche zu sagen, kann man
gar nicht mehr kreativ sein. Und ich denke, angesichts der Tatsachen, wie sie
sich uns heute stellen, brauchen wir alle Inspiration und Kreativität,
die wir bekommen können. Glaube ist kein Sack, in den die Hörer des
verkündigten Wortes theologische Richtigkeiten stopfen sollen, sondern
eine lebendige Beziehung zu Gott. Alle Bollwerke, die wir in unseren Worten
oder auch nur Gedanken aufrichten, wirken da nicht nur langweilig, sondern zerteilen
darüber hinaus auch noch Christus, dessen Leibes Glieder wir alle sind.
Möchte
Gott uns Mut und Kraft geben, zu verkündigen! Denn: "die Herrlichkeit
des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen"!
Inhalt
Anfang
Literaturverzeichnis
1. Bibeln
Die Bibel mit Erklärungen. Nach der Übersetzung Martin Luthers
(revidierter Text), Berlin und Altenburg, 1989 Die Bibel.
Nach der deutschen Übersetzung Martin Luthers (unrevidierter
Text), Berlin, 1952
2. Fachliteratur
Barth, Karl: Die Kirchliche Dogmatik I. Die Lehre vom Wort
Gottes 2, Zürich,
6. Auflage 1975
Bonhoeffer, Dietrich: Widerstand und Ergebung. Briefe
und Aufzeichnungen aus der Haft, München,
1970
Bonhoeffer, Dietrich: Treue zur Welt. Meditationen,
München,
1971
Bonhoeffer, Dietrich: Das Wesen der Kirche, München,
1971
Ebeling, Gerhard: Das Wesen des christlichen Glaubens, Tübingen,
1961
Grün, Anselm: Biblische Bilder von Erlösung. Münsterschwarzach,
1. Auflage 1993
Hauschildt, Friedrich (Hrsg.): Text und Kontext in
Theologie und Kirche, Hannover,
1989
Hollenweger, Walter J.: Interkulturelle Theologie III.
Geist und Materie, München,
1988
Jacobi, Jolande: Die Psychologie von C.G.Jung, Frankfurt/Main,
1991
Jung, C.G.: Bewußtes und Unbewußtes. Beiträge zur Psychologie, Frankfurt/Main,
1990
Jüngel, Eberhard: Gott als Geheimnis der Welt. Zur
Begründung der Theologie des
Gekreuzigten im Streit zwischen Theismus und Atheismus,
Tübingen,
5.Auflage 1986
Lapide, Pinchas: Auferstehung. Ein jüdisches Glaubenserlebnis,
Stuttgart
und München, 6. Auflage 1991
Newbigin, Lesslie: "Den Griechen eine Torheit".
Das Evangelium und unsere westliche Kultur, Neukirchen-Vluyn,
1989 Neukirchen-Vluyn,
1989
Pannenberg,
Wolfhart: Thesen zur Theologie der Kirche,
München, 1. Auflage 1970
Tillich,
Paul: Systematische Theologie I,
Stuttgart, 2. Auflage 1956
Zahrnt,
Heinz: Die Sache mit Gott. Die protestantische Theologie im 20. Jahrhundert,
München, 3.Auflage
1996
Zahrnt,
Heinz: Gespräch über Gott. Die protestantische Theologie im 20. Jahrhundert,
Textbuch, München,
1968
Wilder,
Amos N.: Weltfremdes Christentum?
Göttingen, 1958
3.
Zeitschriften
Materialdienst
der EZW 4, April 1993/8, August 1996/11, November 1996
Focus
Nr.45, November 1995/Nr.15, April 1996
Inhalt
Anfang
Fußnoten
Jes.40,3-5,
Die Bibel mit Erklärungen. Nach der Übersetzung Martin Luthers
in der revidierten Fassung von 1964 (AT) und 1984 (NT), Berlin und Altenburg,
1989 (BME) [Zurück]
Ps.68,9,
Die Bibel. Nach der deutschen Übersetzung Martin Luthers (unrevidierte
Fassung), Berlin (BIB) [Zurück]
Zit.
Emil Brunner, Natur und Gnade, nach: Heinz Zahrnt, Gespräch über
Gott, München, 1968 (GESPRÄCH), S.308
[Zurück]
Zit.
Heinz Zahrnt, Die Sache mit Gott, München, 1988 (SACHE), S.9
[Zurück]
Zit.
Karl Barth, Die Menschlichkeit Gottes, ebd., S.92
[Zurück]
Röm.10,14
nach BIB
[Zurück]
Zit.
Eberhard Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt, Tübingen, 1986, S.308
[Zurück]
Zit.
Wolfhart Pannenberg, Thesen zur Theologie der Kirche, München, 1970,
S.41
[Zurück]
vgl.
Paul Tillich, Das protestantische Zeitalter, nach: Zahrnt, SACHE, S.384
ff. [Zurück]
Zit.
Paul Tillich, ebd. [Zurück]
Zit.
Karl Barth, Die Kirchliche Dogmatik I. Die Lehre vom Wort Gottes, 2. Zürich,
1975, S.839 [Zurück]
Zit.
Zahrnt, SACHE, S.385 [Zurück]
ebd.
[Zurück]
Zit.
Tillich, In der Tiefe ist Wahrheit, nach: Zahrnt, GESPRÄCH, S.465
[Zurück]
Koh.
3,1-6 nach BIB [Zurück]
Zit.
Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie, nach: Zahrnt, GESPRÄCH,
S.302 [Zurück]
vgl.
Jüngel, aaO., S.316ff.
[Zurück]
Zit.
Helmut Gollwitzer, Die Existenz Gottes im Bekenntnis des Glaubens, nach:
Zahrnt, GESPRÄCH, S.421f. [Zurück]
Zit.
Paul Tillich, Werke V,
nach: Zahrnt, GESPRÄCH, S.426f.
[Zurück]
Zit.
Helmut Gollwitzer, Die Existenz Gottes im Bekenntnis des Glaubens, nach:
Zahrnt, GESPRÄCH, S.422 [Zurück]
Zit.
Karl Barth, Römerbrief,
nach: Zahrnt, ebd., S.302
[Zurück]
Zit.
Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie, nach: Zahrnt, ebd., S.303
[Zurück]
Zit.
Karl Barth, Gesammelte
Aufsätze I, nach: Zahrnt, SACHE, S.29
[Zurück]
Zit.
Zahrnt, SACHE, S.30 [Zurück]
vgl.
Paul Tillich, nach: Zahrnt, SACHE, S.384 [Zurück]
vgl.
Zahrnt, SACHE, S.15 [Zurück]
Zit.
Ernst Lange, Brief an einen Prediger, nach: Friedrich Hauschildt
(Hrsg.), Text und Kontext in Theologie und Kirche, Hannover, 1989,
S.97
[Zurück]
vgl.
Paul Tillich, der warnt: "...der Geistliche, der sich als Märtyrer
einer göttlichen Erfolglosigkeit fühlt und sogar sich an dieser
Erfolglosigkeit berauscht, macht sich schuldig durch Mangel an Gegenwärtigkeit."
Zit. Werke IV, nach: Zahrnt, GESPRÄCH, S.310 [Zurück]
vgl.
Helmut Gollwitzer: "'Gott ist tot' meint: wir leben unser Leben normalerweise
nicht mehr auf einen jenseitigen Bezugspunkt hin, und 'normalerweise' meint:
sofern das einzelne unter uns noch tun, hat das keine allgemeine Bedeutung
mehr; es wird toleriert als ihre private Liebhaberei... ", aber auch:
"Unsere Haltung ist die des offenen Fragens, die Unabgeschlossenheit,
also der Skepsis und Toleranz... Wir sind also nicht mehr die triumphierenden
Atheisten der ersten Generation, wir ziehen nicht mehr gegen die Religion
zu Felde als gegen Pfaffenbetrug und Aberglauben... " Zit. Von der
Stellvertretung Gottes, nach: Zahrnt, GESPRÄCH, S.403f. [Zurück]
Zit.
Zahrnt, SACHE, S.185 [Zurück]
vgl.
unter 2.2.3 "Aufspaltung in zwei Lebensbereiche" [Zurück]
vgl.
Karl Barth, Römerbrief, nach: Zahrnt, SACHE, S.31 [Zurück]
vgl.
ebd., S.22 [Zurück]
vgl.
ebd., S.70ff. [Zurück]
Zit.
Karl Barth, Römerbrief, nach: Zahrnt, GESPRÄCH, S.18 [Zurück]
vgl.
Karl Barth, Die Menschlichkeit Gottes, nach: Zahrnt, SACHE, S.92
[Zurück]
Zit.
Karl Barth, Die Menschlichkeit Gottes, ebd., S.93 [Zurück]
vgl.
ebd., S.100ff. [Zurück]
vgl.
ebd., S.107ff [Zurück]
Zit.
ebd., S.105 [Zurück]
Zit.
Karl Barth, Die Menschlichkeit Gottes, nach: Zahrnt, GESPRÄCH, S.310
[Zurück]
Zit.
Karl Barth, Nein!, ebd.
[Zurück]
Zit.
Walter J. Hollenweger, Geist und Materie, München, 1988, S.134
[Zurück]
Zit.
Karl Barth, Die Menschlichkeit Gottes, nach:
Zahrnt,
yes"> GESPRÄCH,
S.309
[Zurück]
Zit.
Zahrnt, SACHE, S.170
[Zurück]
Zit.
Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, München, 1970, S.305
[Zurück]
Zit.
Karl Barth, Die Menschlichkeit
Gottes, nach: Zahrnt, GESPRÄCH, S.309
[Zurück]
Zit.
Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge,
nach: Zahrnt, SACHE, S.171
[Zurück]
Zit.
Bonhoeffer, Widerstand
und Ergebung, S.307
[Zurück]
vgl.
Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, S.312 [Zurück]
Zit.
ebd., S.305 [Zurück]
vgl.
ebd., S.368f. [Zurück]
Zit.
ebd., S.312
[Zurück]
Zit.
ebd., S.415, vgl. auch Dietrich Bonhoeffer, Das Wesen der Kirche, München,
1971 [Zurück]
Zit.
Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, S.394 [Zurück]
Zit.
Zahrnt, SACHE, S.174 [Zurück]
vgl.
Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, S.414 [Zurück]
Zit.
ebd., S.401 [Zurück]
vgl.
Dietrich Bonhoeffer, Ethik, nach: Dietrich Bonhoeffer, Treue zur Welt, München,
1971, S.62f. [Zurück]
vgl.
auch Friedrich Gogarten [Zurück]
Zit.
Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, S.312 als Kritik an Karl Barth
[Zurück]
Zit.
Paul Tillich, Systematische Theologie I, Stuttgart, 1956, S.9
[Zurück]
Zit.
Paul Tillich, Werke IV, nach: Zahrnt, GESPRÄCH, S.310
[Zurück]
Zit.
Dietrich Bonhoeffer
[Zurück]
Zit.
Martin Buber, nach: Pinchas Lapide, Auferstehung, München und Kösel,
1991, S.54
[Zurück]
vgl.
Tillich, Systematische Theologie, S.78 [Zurück]
Zit.
Tillich, aaO., S.76 [Zurück]
vgl.
aaO. in Bezug auf H.Gunkel, Die Sagen der Genesis [Zurück]
vgl.
C.G.Jung, Bewußtes und Unbewußtes, Frankfurt a.M., 1990, S.11ff.,
auch Jolande Jacobi, Die Psychologie von C.G.Jung, Frankfurt a.M. 1991,
S.17ff. und 144ff. [Zurück]
Zit.
Anselm Grün, Biblische Bilder von Erlösung, Münsterschwarzach,
1993, S.60 in Bezug auf Jungs Psychologie [Zurück]
Zit.
S.25 und alles weitere vgl. Lesslie Newbigin, Den Griechen eine Torheit,
Neukirchen-Vluyn, 1989 [Zurück]
Zit.
ebd., S.31
[Zurück]
Zit.
Zahrnt, SACHE, S.380 [Zurück]
Zit.
Tillich, aaO., S.61 [Zurück]
Zit.
Newbigin, aaO., S.30
[Zurück]
Zit.
aaO., S.29 [Zurück]
Zit.
Newbigin, aaO., S.28
[Zurück]
vgl.
Peter Berger aaO., S.15: "Plausibility structure" ist die Gesellschaftsstruktur,
die "mit ihren Vorstellungen und Praktiken die Voraussetzungen dafür
schafft, welche Weltanschauungen in der betreffenden Gesellschaft plausibel
sind". Berger selbst glaubt allerdings nicht, dass es so etwas wie
eine Plausibilitätsstruktur in unserer Gesellschaft gibt, da wir alle
unter dem "häretischen Imperativ" stehen. Newbigin macht
deutlich, dass der häretische Imperativ nur für den privaten Bereich
gilt, nicht für den öffentlichen, und dass das die Plausibilitätsstruktur
der modernen westlichen Kultur ist. [Zurück]
vgl.
Peter Berger, The Heretical Imperativ, aaO., S.14ff.
[Zurück]
Zit.
aaO., S.19 [Zurück]
Zit.
aaO., S.37 [Zurück]
Zit.
aaO., S.37 [Zurück]
vgl.
aaO., S.23: Das Ziel ist ja nicht, eine mittelalterliche Theokratie wiederaufzurichten.
Diese Tendenz scheint aber Newbigin zu verfolgen. [Zurück]
vgl.
Tillich, aaO., S.79 zu den Problemen Tod, Sinnlosigkeit und Teleologie:
"Wenn...der Begriff Gott in der systematischen Theologie in Korrelation
mit der in der Existenz liegenden Bedrohung durch das Nichtsein erscheint,
dann muß Gott die unendliche Macht des Seins genannt werden, die der
Bedrohung durch das Nichts widersteht... Wenn die Angst als das Gewahrwerden
der Endlichkeit verstanden wird, dann muß Gott der unendliche Grund
des Mutes genannt werden... Wenn der Begriff 'Reich Gottes' in Korrelation
mit dem Rätsel unserer geschichtlichen Existenz erscheint, dann muß
'Reich Gottes' der Sinn, die Erfüllung und die Einheit der Geschichte
genannt werden." [Zurück]
Zit.
Focus Nr.45, 6.9.1995, S.259 [Zurück]
vgl.
Hollenweger, aaO. [Zurück]
Zit.
Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, S.305
[Zurück]
Zit.
Michael Nüchtern, Was heißt "religiöser Markt"?,
Materialdienst 11, November 1995, S.315 [Zurück]
Zit.
ebd., S.315
[Zurück]
Zit.
ebd., S.315 [Zurück]
Zit.
ebd., S.315 [Zurück]
vgl.
Focus Nr.15, 6.4.1996, S.52ff. [Zurück]
vgl.
Nüchtern, a.a.O., S.313ff.
[Zurück]
vgl.
dazu 2.1, "Grundfragen"
[Zurück]
vgl.
Hansjörg Hemminger, Religion am Ausgang des 20. Jahrhunderts, Materialdienst
Nr.4, April 1993, S.99ff.
[Zurück]
Zit.
Zahrnt, SACHE, S.173 [Zurück]
vgl.
Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, S.328 [Zurück]
Zit.
ebd., S.402 [Zurück]
Zit.
Amos N. Wilder, Weltfremdes Christentum?, Göttingen, 1958, S.31
[Zurück]
vgl.
Paul Tillich, Werke VII, nach: Zahrnt, SACHE, S.391 [Zurück]
vgl.
Heinrich Ott, Wirklichkeit und Glaube I, nach: Zahrnt, GESPRÄCH, S.
335f. [Zurück]
vgl.
Bonhoeffer, aaO., S.415
[Zurück]
Inhalt
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